3 Fragen zur Strategieentwicklung
Damit Immobilien ihren Nutzen auch auf lange Sicht erfüllen können, ist es wichtig, Chancen und Risiken im Bestand rechtzeitig zu erkennen und nicht einfach nach Bauchgefühl zu investieren.
Blutdruck messen, Schritte zählen…
Pulsuhren monitoren die Vitalität, Schrittzähler die Bewegung – Tracking steht bei uns Menschen derzeit ganz hoch im Kurs. Aber auch die Gesundheit von Immobilien lässt sich anhand von Daten überwachen. Was Sensorik hier leisten kann, darüber hat sich Benjamin Oberwallner, Bereichsleiter Solution Management CalCon, mit Franz Schwendemann, Leitung Gebäudedaten & -zustände bei der Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. Österreich unterhalten.
BO: Was müssen Sie wissen, damit Sie sagen können, diese Immobilien ist gesund, und die ist es nicht?
FS: Wir führen für unsere Gebäude ja regelmäßig mit AiBATROS® Untersuchungen im Baubereich durch. Außerdem beginnen wir gerade auch auf die klimatechnische Gesundheit zu schauen. Da geht es um die Frage, wo stehen wir und was können wir tun, um die Gesundheit in diesem Bereich zu steigern? In der Haustechnik gibt es ja bereits seit einiger Zeit die Darstellung von Mängeln und Störungszonen auf Basis der Sensorik. Da haben wir schon Pilotprojekte gemacht und können Fehler feststellen. Was uns noch fehlt, ist sozusagen das Bauchgefühl der Person vor Ort, die weiß, dass bei dem Lagergeräusch in den nächsten zwei Jahren etwas zu tun sein wird. Die Bewertung der aufgenommenen Daten lässt sich also noch nicht über KI vornehmen. Außer es ist eine Sofortstörung – aber dann brauche ich das nicht in eine Planung übernehmen. Für uns wäre es interessant zu wissen, dass sich hier aus den und den Gründen eine Reparatur abzeichnet.
BO: Da haben sie etwas Wichtiges angesprochen: ein Ausfall ist etwas anderes als die strategische Planung, die Klimatechnik irgendwann auszutauschen. Ist es denn für eine strategische Betrachtung wichtig, die durchschnittliche Lufttemperatur oder die Luftfeuchte zu kennen?
FS: Bei unseren Neubauten ist das State of the Art. Genau diese Daten werden da bereits abgelesen und an die Automation weitergeleitet, von der CO2-Messung über die Anwesenheit und Temperatur bis zu den Öffnungsständen der Fenster. Aber strategisch nutzen können wir sie maximal für die Belegungsplanung. Oder wenn es um die Frage geht, ob das eine wichtige Anlage ist.
BO: Das ist für mich auch ein wichtiger Punkt. Bei einer Lüftungsanlage ist das ja durchaus relevant, um bewerten zu können, welche Priorität sie bei der Reparatur, Modernisierung oder Wartung hat. Genau darum geht es ja bei den strategischen Themen.
FS: Ja, aber dazu ist es natürlich erst mal notwendig, über viele, viele Jahre Daten zu sammeln. Denn die Ausfallhäufigkeit bei einem Neubau ist Gott sei Dank sehr gering.
BO: Sie denken also auch, dass eine strategische Vorausschau ohne historisierte Daten schwierig wird?
FS: Derzeit ist keiner so weit, dass er sagen kann, dass wir mit dem Gebäude, das wir heute in Betrieb nehmen, in 15 Jahren Probleme kriegen werden. Und um die Daten einfach aufzunehmen, zu sammeln und zu schauen, wo wir dann stehen, ist das noch zu weit weg.
BO: Ja, das ist schwierig. Jeder soll jetzt überall Sensoren installieren, man muss aber vielleicht jahrelang warten, bis man etwas mit ihnen anfangen kann, weil erst eine Historie aufgebaut werden muss, damit man in Zukunft etwas vorhersagen kann. Dabei wollen wir ja eigentlich sofort einen Nutzen haben.
FS: Den Nutzen aus der Sensorik habe ich nur für den Betrieb. Also Nutzerverhalten, Nutzerwohlbefinden, das ist der derzeitige Einsatzzweck. Und dann geht es darum, diese Daten aber trotzdem im Hintergrund zu sammeln und zu speichern.
BO: Heutzutage wird ein Gebäude mit allen Sensoren ausgestattet. Wie wäre es, wenn wir alle Gebäude mit einem Sensor ausstatten? Dann sind wir nicht mehr so sehr auf die Vergangenheit angewiesen, sondern können mithilfe der Daten, die wir jetzt im Moment sammeln, ein Benchmarking über das Portfolio durchführen. Was halten Sie davon?
FS: Wir sind dabei, eine derartige Regel in Hinblick auf Betriebsführungen aufzubauen: der Aufzug fällt aus, was ist als Nächstes zu tun? Es wird also versucht, mit Programmen alle Steuerungsthemen, die wir in den großen Gebäuden haben, auf einem zentralen Leitstand zusammenzufassen. Warum macht man so was? Um die Benutzung zu verbessern. Man kann schneller reagieren. Der Hauptnutzen liegt also im Hier und Jetzt, denn sonst würde es keiner machen. Der Nebennutzen ist aber natürlich später zu vergleichen und beispielsweise sagen zu können, dass Aufzugsanlagen dieser Art eine Störungsfolge von X Prozent haben. Man kann dann also österreichweit über all unsere Objekte einen Vergleich ziehen. Wir stehen bei einigen Anlagen aus dem Bereich Sicherheitstechnik vor dem Problem, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt keine Teile mehr gibt. Ich kann sie also nicht mehr reparieren, sondern muss sie austauschen. Ist diese Anlage anfällig, und da sind wir bei der Planbarkeit, ist anzunehmen, dass man den kompletten Raum erneuern muss, weil man nicht irgendein anderes Element hineinflicken kann, weil sie von der Größe her nicht zusammenpassen und, und, und… Es geht da also schon in den Bereich der Einwertung, nämlich um die Frage, wie hoch das Risiko ist, dass der Eigentümer in den nächsten fünf Jahren Betrag X brauchen wird. Denn das sind dann doch sehr oft sehr hohe Summen, die hier zu investieren sind.
BO: Das war mir so gar nicht bewusst. Das heißt, Ihre strategischen Entscheidungen, Ihre Maßnahmenplanungen für die Zukunft sind stark davon abhängig, was die Ersatzteilwirtschaft macht?
FS: Ja, unter Umständen. Dasselbe mit Fenster- oder Türbeschlägen. Sie können das beste Fenster haben, aber wenn irgendwann eine Schere reißt und Sie bekommen keinen Ersatz, dann heißt es Fensteraustausch… Die Kette ist so stark wie das schwächste Glied.
BO: Aber wie misst man so was? Bei technischen Anlagen haben wir unsere Sensoren, aber Sie reden von Fensterbeschlägen. Da ist dann wirklich wieder der Mensch gefragt und muss hingehen und schauen. Oder haben wir da eine andere Möglichkeit?
FS: Im Rahmen der jährlichen Sicherheitsprüfung wird geschaut, wie der Zustand ist. Aber letztlich ist das eine Einschätzung, da gibt es keine Indikationen, weil es ja auch von anderen Dingen beeinflusst wird. Das heißt, es gibt Beschläge, die gibt es seit 30 Jahren und die wird es auch in 20 Jahren noch geben. Ich vergleiche das immer mit einem Käfer, für den Sie heute noch immer Ersatzteile kriegen.
BO: Manche Sachen kann ich also mit der Sensorik oder Gebäudeleittechnik machen, aber es wird immer Bauteile geben, die muss ich noch manuell prüfen, da muss ich vielleicht einen Wartungsvertrag haben oder eine Inspektion machen.
FS: Das sowieso. Aber trotz bester Wartung bleiben dann Bauteile, die in den Austausch kommen. Nicht weil sie schlecht sind, sondern weil keiner einen Ersatz bringen kann. Und Abnützung ist natürlich immer gegeben, diese Häuser leben.
BO: Klar, man geht hin, schaut sich die Fenster an, aber ein gewisses Restrisiko bleibt immer. Das ist, wie wenn man zur Vorsorge zum Arzt geht, da besteht auch immer das Risiko, dass trotzdem etwas ist. Da helfen uns die ganzen Trackinggeräte nichts – und das ist beim Gebäude auch nicht anders. Aber wenn wir dennoch das Gebäude mit dem Tracker ausstatten wollen, wie ist dann die beste Vorgehensweise? Wenn ich beispielsweise ein großes Blutbild mache, dann reicht mir ja eine kleine Menge Blut als Stichprobe, ich muss nicht alles untersuchen.
FS: Ja, das ist richtig, wenn ich gleichartige Anlagen habe, das heißt, wenn die vom selben Umfang sind und in derselben Nutzung, dann ist das okay. Aber Sie können ja auch nicht von einer ganzen Personengruppe, die im selben Haus lebt, nur eine Blutprobe nehmen und dann sagen, alle anderen sind genauso gesund oder krank!
BO: Ja, das stimmt. Da kommen wir wieder zum Vergleich. Ich habe zig verschiedene Wärmeerzeuger in verschiedensten Immobilien, aber jetzt muss ich irgendeinen Indikator finden, um eine Wärmepumpe mit einem Brennwertkessel zu vergleichen. Sehr, sehr schwierig.
FS: Da sind wir dann statistisch unterwegs. Dazu fällt mir die CO2-Thematik ein. Wir haben heute vereinbart, dass wir an einem Haus, für das wir schon eine normale Planung mit Kosten durchgeführt haben, die energetische Analyse mit AiBATROS® testen werden. Das heißt, wir können die Ergebnisse dann vergleichen. Wenn das zusammen passt, dann stehen die Chancen gut, dass der Eigentümer die Berechnungsmethode auch für seine weiteren 500 Häuser nutzen wird. Mit der Erwartungshaltung, dass auch dort das richtige Ergebnis zur Entscheidungsfindung herauskommt. Und das ist wahrscheinlich übertragbar: man vergleicht, man schaut, ob die Ergebnisse von zwei Sichtweisen zusammenpassen, und dann wird es schon stimmen.
BO: Wir haben zum Beispiel angefangen, über den Ein- und Ausschaltzyklus von Wärmeerzeugern nachzudenken. Denn wenn eine Wärmepumpe alle zehn Minuten ein- und ausschaltet, dann stimmt etwas nicht. Es wäre natürlich schön, wenn man das für andere Bauelemente genauso machen könnte, aber wahrscheinlich wird das nicht immer klappen.
FS: Wobei wir ja nur wissen, dass sich die Pumpe ein- und ausschaltet. Wir wissen aber noch nicht warum. Da ist dann das Know-how einer Person nötig, um zu entscheiden, ob das eine Auslegungs- oder Schalterthematik ist oder zwischendrin liegt.
BO: Sie haben absolut recht. Meine Pulsuhr misst, dass ich einen hohen Puls habe, aber dann weiß ich immer noch nicht, woran das liegt. Das Tracking und die Analyse sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wir müssen also eine Plattform zur Verfügung stellen, die die Analyse ermöglicht. Wie könnten Sie sich das aus strategischer Sicht vorstellen?
FS: Ich glaube, dass hier sehr umfangreiche Interviews mit Betriebsführern und Instandhaltern nötig sein werden, die das über Jahrzehnte gemacht haben, um ihr Bauchwissen, ehe sie in den Ruhestand gehen, an die Datenbank weiter zu geben und die KI anzulernen.
BO: Das ist ja immer so, die alten Hasen verlassen das Unternehmen und reißen eine Lücke. Wie stellen Sie sicher, dass dieser Wissenstransfer stattfindet?
FS: Das ist extrem schwierig. Ich will nicht sagen, dass Erfahrung durch nichts ersetzt werden kann, aber in vielen Fällen ist es einfach so. Wenn ich sehr viele Informationen habe, kann ich ganz anders entscheiden, und das ist ein Thema, das wir schon seit Hunderten von Jahren haben. Wir werden es nicht innerhalb der nächsten Monate lösen.
BO: Wahrscheinlich nicht. Aber wir müssen zumindest einen Schritt in die richtige Richtung machen.
FS: Man müsste im Prinzip auswerten, was an einem Objekt an Störungen anfällt und das dann den Lösungen zuordnen. Das heißt: wie hat man etwas gelöst, und was war vielleicht die Ursache.
BO: Das ist ein interessanter Ansatz, denn das ist ja im Grunde das, was die KI macht. Sie ordnet Dinge zu.
FS: Nur muss man sie eben erst einmal über einen langen Zeitraum anlernen. Ihr zeigen, was die Störfälle sind und wie sie behandelt werden. Wir haben intern bereits beschlossen, dass wir in diese Richtung gehen werden, aber das ist noch sehr weit weg.
BO: Der zentrale Baustein, um aus den getrackten Daten Rückschlüsse auf die Fitness des Gebäudes zu ziehen, wird also KI sein. Denn sonst können wir mit den gemessenen Schritten und dem gemessenen Blutdruck nichts anfangen.
FS: Ja, wir müssen sie anlernen, um unseren Service zu erhöhen. Denn dann kann ich nicht zehn Störungen gleichzeitig behandeln, sondern 10.000.
BO: Ich baue also einen Sensor ein, der sofort einen Nutzen hat, etwa in Form von Störungsmeldungen. Und der Nebennutzen besteht darin, dass man eine KI anlernt, die dann irgendwann so weit ist, dass man davon profitiert?
FS: Jede Datenspeicherung muss ich ja auch begründen. Ich kann nicht einfach sagen, ich speichere heute etwas, das ich in 15 Jahren brauche. Dafür geht die Akzeptanz gegen null. Wenn ich aber sage, ich speichere Daten, um deinen täglichen Nutzen zu erhöhen, dann lassen sich auch Anwesenheitsdaten und CO2-Daten sammeln. Grundsätzlich ist das allerdings eine ganz heikle Sache, denn das geht ja nur mit Zustimmung des Betriebsrats und was weiß ich alles.
BO: Interessanter Punkt. Gibt es denn noch etwas, wo Sie sagen, das wäre schön, wenn das AiBATROS® in der Zukunft könnte?
FS: Mein Wunsch an AiBATROS® ist, dass es mit den üblichen Leitprogrammen sprechen und strategische Auswertungen vornehmen kann. Um wirklich diesen ganzen Störungsprozess, den wir jetzt ja festhalten, in Grundlagen für Entscheidungen umzusetzen. Damit ich weiß, ich erreiche den Zustand X, weil ich ein Störungspotenzial von Y habe. Vor allem wenn ich in der feinen Ebene arbeite, wo unsere Anlagen in Komponenten aufgeteilt sind.
BO: Dieser Punkt, die Interoperabilität, ist wirklich essenziell. Die Systeme müssen miteinander reden können, sonst bringt es mir nichts. Wenn ich einen Fitnesstracker habe, und der kann nicht mit meinem Handy kommunizieren, dann ist es nur halb so gut. Die Anbindung und Integration ist somit einer der zentralen Bestandteile, damit wir das in Zukunft überhaupt auf die Beine stellen können.
FS: Genau.
BO: Vielen Dank für das wirklich spannende Gespräch!