Viele Akteure wissen erstaunlich wenig über die tatsächliche Qualität ihrer Objekte. Es fehlt an strukturierten Daten, objektiven Zustandsbewertungen und einheitlichen Standards. Gleichzeitig sind die Ressourcen eigentlich zu knapp für eine Immobilienbewertung im Bestand – sowohl personell als auch finanziell. Wie also gelingt es, eine solide Entscheidungsgrundlage zu schaffen, ohne in endlosen Datensammlungen zu versinken?
Warum Zielorientierung der erste Schritt bei der Immobilienbewertung im Bestand ist
Bevor überhaupt Daten erhoben werden, muss klar sein, wofür diese Informationen gebraucht werden. Eine Gebäudeerfassung ohne definierte Zielsetzung ist wie eine Reise ohne Karte: Es wird viel Zeit investiert, aber man kommt nicht dort an, wo man eigentlich hinwollte. Ob es um die Instandhaltungsplanung, die Bewertung von Modernisierungsbedarfen oder die Portfoliosteuerung geht – je präziser das Ziel der Immobilienbewertung im Bestand, desto gezielter können die relevanten Daten erfasst werden.
Dabei reicht es nicht aus, lediglich den baulichen Zustand im Blick zu haben. Auch Nutzungsqualität, Energieverbrauch und zukünftige Entwicklungsperspektiven spielen eine Rolle. Entscheidend ist daher, im Vorfeld festzulegen, welche Informationen in welcher Detailtiefe notwendig sind, um belastbare Entscheidungen treffen zu können. So lassen sich Aufwand und Nutzen besser in Einklang bringen.
Der effiziente Weg: Konzentration auf das Wesentliche
In der Praxis zeigt sich, dass eine vollständige Erhebung aller Gebäudedetails weder notwendig noch wirtschaftlich ist. Stattdessen empfiehlt sich ein fokussierter Ansatz nach dem Pareto-Prinzip: 80 % des Ergebnisses lassen sich oft schon mit 20 % des Gesamtaufwands erreichen. Wer sich folglich auf die kostenrelevanten Bauteile konzentriert – also jene, die den größten Einfluss auf Instandhaltung und Wertentwicklung haben – spart nicht nur Zeit und Geld, sondern erhöht auch die Aussagekraft der Ergebnisse. Tatsächlich verursachen laut empirischer Untersuchungen nur etwa 20 % der Bauteile bereits rund 80 % der Instandhaltungskosten… Dieser Fokus auf das Wesentliche schafft somit eine effiziente Balance zwischen Informationsqualität und Erhebungsaufwand – ein zentraler Erfolgsfaktor bei der Immobilienbewertung im Bestand.

Einheitliche Bewertungssystematik schafft Vergleichbarkeit
Ein weiteres Problem in der Bestandserfassung liegt in der uneinheitlichen Bewertung. Wenn verschiedene Personen den Zustand identischer Bauteile unterschiedlich einschätzen, sind die Ergebnisse nicht vergleichbar – und damit wenig belastbar. Abhilfe schafft hier eine standardisierte Bewertungssystematik mit klar definierten Zustandskategorien. Diese Kategorien sollten nachvollziehbar und objektivierbar sein, etwa durch visuelle Referenzbilder oder eindeutige Beschreibungen.
Hilfreich ist es außerdem, eine gerade Anzahl an Zustandsstufen zu wählen (z. B. vier statt fünf), um eine neutrale „Mittelwert“-Tendenz bei der Immobilienbewertung im Bestand zu vermeiden. Je klarer definiert ist, was beispielsweise „leichte Abnutzung“ oder „erheblicher Sanierungsbedarf“ konkret bedeutet, desto konsistenter und vergleichbarer werden die Daten – unabhängig davon, wer sie vor Ort erhebt.
Digitalisierung macht den Unterschied
Moderne Tools ermöglichen es heute, die Immobilienbewertung im Bestand nicht nur effizienter, sondern auch qualitativ besser umzusetzen. Mobile Erfassungsgeräte wie Tablets oder Smartphones erlauben eine direkte Dateneingabe vor Ort – inklusive Fotodokumentation, Kommentarfunktion und automatischer Plausibilitätsprüfung. So werden Medienbrüche vermieden, Übertragungsfehler reduziert und die Qualität der Daten erhöht.
Digitale Systeme bieten zudem den Vorteil, dass sie standardisierte Bewertungshilfen und Zustandsdefinitionen direkt integriert haben. Auch strukturierte Berichte (Reporting Instandhaltung) und Auswertungen lassen sich so automatisch generieren – ein enormer Vorteil für die weitere Nutzung der Daten im Instandhaltungsmanagement, der Budgetplanung oder der ESG-Berichterstattung. Die Digitalisierung ist daher kein Selbstzweck, sondern ein Hebel für bessere Entscheidungen und schlankere Prozesse.
Regelmäßige Datenpflege statt Datenfriedhof
Selbst die beste Bestandserfassung verliert allerdings an Wert, wenn die Daten nicht aktuell gehalten werden. Zustandsänderungen durch Sanierungen, Schäden oder Umbauten müssen regelmäßig dokumentiert werden. Daher sollte die Immobilienbewertung im Bestand nicht als einmalige Maßnahme verstanden werden, sondern als kontinuierlicher Prozess. Eine zyklische Erfassung – etwa im Fünfjahresrhythmus – sichert nicht nur die Datenqualität, sondern etabliert auch ein systematisches Instandhaltungsmanagement.
Wer diesen Kreislauf aus Erfassung, Analyse, Maßnahmenplanung und Aktualisierung einmal etabliert hat, verfügt über eine belastbare Grundlage für jede strategische Entscheidung im Bestand. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen, anspruchsvoller Regulatorik und ambitionierter Klimaziele ist das ein klarer Wettbewerbsvorteil.